Pflegerische Unterstützung epilepsiekranker Menschen durch innovative Ohrsensorik (EPItect)
Im Rahmen des EPItect-Forschungsprojekts wird ein nicht-invasives Sensorsystem entwickelt, um anhand relevanter Biosignalmuster epileptische Anfälle zu detektieren. Eine automatische und zuverlässige Anfallsdetektion ist von zentraler Bedeutung zur korrekten Einstellung der Medikation der Patienten und stellt eine große Hilfe für das pflegende Umfeld des Patienten dar.
Hintergrund
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisationen (WHO) gibt es weltweit 50 Millionen Menschen mit Epilepsie. Betroffen sind alle Altersgruppen und Geschlechter. Durch Störungen der Hirnsignale verursacht Epilepsie Krampfanfälle von unterschiedlichem Ausmaß. Viele Menschen mit Epilepsie können weitestgehend normal leben und die gleichen Aktivitäten wie andere ausüben. Einige Epileptiker können jedoch aufgrund häufiger Anfälle stark in ihrem Leben beeinträchtigt sein.
Motivation und Herausforderung
Epileptische Anfälle sind zum Teil mit erheblichen Risiken verbunden und können zu Unfällen mit schwerwiegenden Verletzungen führen. Aus diesem Grund ist es wichtig, epileptische Anfälle rechtzeitig zu erkennen, um entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Daneben ist eine automatische und zuverlässige Anfallsdetektion grundlegend für eine effektive Medikation der Patienten. In der Praxis kommt für die Anfallsdetektion am häufigsten eine EEG (Elektroenzephalographie) zum Einsatz. Durch die Messung und Überwachung der Gehirnströme können Anfälle vorhergesagt werden. Dass diese Art der Überwachung allerdings nur stationär im Krankenhaus erfolgen kann, stellt eine große Einschränkung dar. Im Alltag der Patienten existiert bis dato keine technische Lösung der Anfallsdetektion. Anfälle werden von den Patienten eigenständig per Handprotokoll dokumentiert. Diese Handprotokolle bieten allerdings aufgrund der hohen Fehleranfälligkeit keine ausreichende Zuverlässigkeit. Laut einer Studie1 werden so nur 44,5% der Anfälle registriert.
Ziele
Mithilfe der earconnect™ Technologie von cosinuss° soll die Anfallsdetektion für Epilepsie-Patienten im Alltag revolutioniert werden:
- Automatische Anfallsdetektion im Alltag
- Hohe Sensitivität und Spezifität
- Nicht-invasives In-Ear Sensorsystem
- Mobiler Datenaustausch für ausgewählte Personen
- Alltagstauglichkeit und hohe Akzeptanz durch die Betroffenen
- Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen
- Alarmdienst und Notrufsystem für kritische Anfälle
- Verbesserung der Sicherheit, Selbstbestimmung und Lebensqualität von Epilepsie-Patienten
Warum cosinuss°?
Die earconnect™ Technologie von cosinuss° ist optimal zur Detektion von epileptischen Anfällen geeignet. Die In-Ear Sensorik leistet eine mobile, kontinuierliche und präzise Messung der Herzrate. Daneben können auch die für Anfälle spezifischen Blutdruckschwankungen erkannt werden. Darüber hinaus sind die cosinuss° In-Ear-Sensoren in der Lage Temperatur und Bewegungen mit hoher Präzision zu messen.
Für den Patienten selbst bietet die Messung im Ohr mehrere Vorteile zur Anfallsdetektion:
- Das Anlegen der Sensoren ist einfach
- Es ist keine Verkabelung notwendig
- Die Sensorik stört nicht bei alltäglichen Aufgaben
- Der Sensor ist geschützt von anfallsassozierten Extremitätenbewegungen
Durchführung und Testverfahren
Angabe | Beschreibung |
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Art der Studie | Klinische Studie |
Verwendete Geräte | cosinuss° One |
Referenz / Technische Validität | EEG-Video-Monitoring (aktueller Goldstandard für epileptische Anfälle), EKG (aktueller Goldstandard für Herzfrequenz-Messung) |
Zeitrahmen | März 2016 bis Februar 2019 |
Standort der Messung | Stationär (Uniklinik für Epileptologie Bonn) |
Anzahl Testpersonen | 182 |
Angaben zur Testperson |
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Vorgehen |
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Verwendete Daten | Herzrate, RR Intervalle, Temperatur, PPG, 3D-Beschleunigungsdaten |
Datenübertragung | cosinuss° One > cosinuss° LapApp > cosinuss° Server / Health Platform |
Datenanalyse | Mehr als 20.000 Stunden Daten, die mithilfe der Sensoren von fast 200 Patienten gesammelt wurden, werden von einem Learning-Algorithmus ausgewertet, um die Anfälle zu klassifizieren. Dabei werden verschiedene Arten von Machine Learning und Deep Learning validiert und, wenn notwendig, verbessert. Die Algorithmen werden mit Daten gefüttert, die mit den proprietären Vorverarbeitungsmethoden von cosinuss aufbereitet werden. |
Schlussfolgerungen auf Basis der Daten
Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend, weisen allerdings auch Optimierungsbedarf auf. Manche Arten epileptischer Anfälle sind schwer zu erkennen. Dies erschwert die Suche nach passenden Vorverarbeitungsmethoden. Zudem stehen noch nicht für alle Anfallsarten ausreichend Daten zur Verfügung. Ein effektives Training der Algorithmen kann nur auf Basis genügend vorhandener Daten für spezifische Anfallsarten erfolgen.
Daneben liegt aufgrund der begrenzten Stichprobe von knapp 200 Personen eine Genauigkeit der Anfallsdetektion von 40% vor.
Ausblick
Ausgehend von den Ergebnissen aus dem EPItect-Forschungsprojekt streben wir im Nachfolge-Forschungsprojekt „MOND“ eine deutliche Verbesserung der epileptischen Anfallserkennung an. Hierfür werden zusätzliche Vitalparameter und Biosignale herangezogen.
Mögliche Anwendungsgebiete
Telemonitoring von Epileptischen Anfällen und weiteren Erkrankungen im Alltag.
Über die Studie
Verbundkoordinator:
Uniklinik für Epileptologie Bonn
Partner:
Uniklinik für Epileptologie Bonn, Cosinuss GmbH, Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST, Klinik für Neuropädiatrie der Universität Kiel, Norddeutsches Epilepsiezentrum in Schwentinental-Raisdorf
Assoziierte Partner:
Hochschule für Gesundheit Bochum, Epilepsie Bundes-Elternverband e.V. Wuppertal, Landesverband für Epilepsie Selbsthilfe Nordrhein-Westfalen e.V.
Förderung:
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm »Pflegeinnovationen zur Unterstützung informell und professionell Pflegender«
Projektträger:
VDI/VDE Innovation + Technik GmbH; Volumen: 2,3 Mio. € (davon 85% Förderanteil durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung)