Dr. Tobias Huber über seine Arbeit als Bergretter

Knapp ein Jahr ist es her, dass cosinuss° den Oberösterreichischen Bergrettungsdienst und die Pistenrettung der Bergbahnen Feuerkogel mit dem kleinen und ultraleichten Patientenmonitoring ausgestattet hat und damit die Bergretter:innen neue Maßstäbe in der Versorgung von verunfallten Personen gesetzt haben.

Wir haben nun mit Dr. Tobias Huber, Landesarzt und Bundesarzt Stv., gesprochen und ihn zu seinen bisherigen Erfahrungen mit dem Monitoringsystem befragt. Er hat uns außerdem über die Herausforderungen als Bergretter berichtet und erörtert, welchen Nutzen neue Technologien in der Bergrettung bringen können.

Dr. Tobias Huber

Fotonachweis: Schornsteiner, salzi.at

Über den Interviewpartner:

Dr. Tobias Huber FRGS ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin, Arzt für Allgemeinmedizin, Notarzt, Flugrettungsarzt, leitender Notarzt und Experte im EUCP-Katastrophenmanagement. Seit knapp 25 Jahren engagiert er sich ehrenamtlich bei der Bergrettung Oberösterreich.

Wie sind Sie zur Bergrettung gekommen, und was motiviert Sie bei Ihrer Arbeit?

Ich bin seit fast 25 Jahren bei der Bergrettung in Oberösterreich tätig. Mein Vater war Bergrettungsarzt, und so bin ich da hineingewachsen. Die Mischung aus Medizin und Alpinismus war für mich extrem reizvoll, da sie viele unterschiedliche Interessensfelder vereint und zugleich eine erstklassige alpinistische Ausbildung ermöglicht. 2011 habe ich die medizinische Leitung in Oberösterreich übernommen und bin mittlerweile auch stellvertretender Bundesarzt der österreichischen Bergrettung. Die Arbeit ist intensiv, ehrenamtlich und nicht immer einfach, aber sie ergänzt meine berufliche Tätigkeit wunderbar. Wenn es in meinem ärztlichen Beruf einmal weniger spannend ist, gibt es oft ein Bergrettungsprojekt, das mich motiviert – und umgekehrt.

Können Sie einen typischen Tag oder Einsatz im Leben eines Bergretters / einer Bergretterin beschreiben?

Grundsätzlich sind alle Mitarbeiter:innen ehrenamtlich tätig. Das bedeutet, dass sie aus ihrem normalen Leben “herausgerissen” werden, sobald ein Einsatz kommt. Sie haben reguläre Berufe und treffen sich für Einsätze – es sei denn, sie sind für den organisierten Pistendienst eingeteilt, der einem regulären Arbeitstag entspricht.

Die Einsätze sind äußerst vielfältig. Sie reichen von kleineren Bagatellverletzungen bis hin zu mehrtägigen Sucheinsätzen. Es gibt auch schwere Unfälle, wie Abstürze oder Paraglider, die in Bäumen hängen bleiben. Das Spannende ist, dass es kaum einen Standardeinsatz gibt. Jede Situation erfordert eine individuelle Herangehensweise – die Gruppe muss vor Ort entscheiden, wie sie vorgeht und welche Taktik angewendet wird.

Aber trotz der Vielfalt haben die meisten Einsätze eines gemeinsam: Sie erfordern viel Personal. Oft sind acht bis zwölf Personen beteiligt, manchmal auch mehr. Besonders wenn es darum geht, jemanden aus unwegsamem Gelände zu bergen oder zu transportieren, ist der Personalaufwand enorm. Es ist nicht nur eine Material-, sondern vor allem eine Personalschlacht – viele helfende Hände sind notwendig.

Meine Aufgabe als Mediziner ist es, schnellstmöglich zum Einsatzort zu gelangen, um medizinische Versorgung leisten zu können – notfalls auch erstmal ohne die restliche Mannschaft. Aber das System basiert auf Freiwilligkeit, sodass es auch mal vorkommen kann, dass nicht so viele Bergretter:innen zusammenkommen. Dann müssen wir improvisieren und mit weniger Ressourcen arbeiten.

Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie bei Rettungseinsätzen in den oberösterreichischen Bergen begegnen?

Das Spannende an alpinen Einsätzen ist die anders strukturierte – oder teilweise gar nicht vorhandene – Rettungskette. Alles, was ich mitbringe, steht mir zur Verfügung, und alles, was ich nicht mitnehme, bleibt in den meisten Fällen unerreichbar. Das bedeutet eine erhebliche Verknappung der Ressourcen. Oft fehlt es auch an ausreichend Personal.

In der urbanen Rettungsmedizin kann man aus dem Vollen schöpfen – zusätzliche Rettungswagen anfordern, Spezialkräfte hinzuziehen oder auf zahlreiche Feuerwehrleute zurückgreifen, die unterstützen. Diese Möglichkeiten gibt es im alpinen Einsatz nicht. Deshalb ist die Entscheidung, welche Ausrüstung man mitnimmt, besonders wichtig. Die Logistik spielt eine zentrale Rolle.

Hinzu kommen die Umweltbedingungen, die eine große Herausforderung darstellen – sei es im Sommer oder Winter. Ob Schneestürme oder glühende Hitze, das Wetter kann extrem sein und die Rettung zusätzlich erschweren.

Ein weiterer Aspekt sind die medizinischen Herausforderungen, die meist weniger dramatisch sind, als es im Fernsehen oft dargestellt wird. Nicht jeder Einsatz ist ein hochdramatischer Notfall – zum Glück.

Was sind die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände für Sie?

Was für mich immer mit muss, ist die wichtigste notfallmedizinische Ausrüstung – alles, was ich brauche, um überhaupt ärztlich tätig werden zu können. Andernfalls könnte ich nicht mehr leisten als meine nicht-ärztlichen Kamerad:innen. Dazu gehören vor allem Medikamente zur Schmerzstillung und zur Wiederbelebung. Eigentlich ist das nicht viel, aber in der Praxis kommt dann doch einiges zusammen. Man möchte für alle Eventualitäten gerüstet sein, und am Ende fehlt oft der Platz für die persönliche Ausrüstung – die bleibt meist auf der Strecke.

In welchen Situationen müssen Sie die Vitalparameter Ihrer Patient:innen überwachen? Gelingt das dann immer gut?

Meiner Erfahrung nach gibt es Situationen, in denen eine visuelle Kontrolle des Patienten / der Patientin ausreicht, sodass eine technische Überwachung nicht zwingend notwendig ist. Allerdings muss ich überwachen, wenn ein Patient / eine Patientin vital bedroht ist oder von mir medikamentös behandelt wird. Ein gutes Pulsoximeter kann zuverlässige Werte liefern – vorausgesetzt, die periphere Durchblutung ist ausreichend. Doch gerade im alpinen Umfeld stoßen diese Geräte schnell an ihre Grenzen. Ein Beispiel: Wenn ich einen verunfallten Skifahrer versorge, müsste ich ihm für die Pulsoximetrie die Handschuhe ausziehen. Das birgt die Gefahr von Unterkühlung oder lokalen Erfrierungen. Selbst wenn es nicht zu Erfrierungen kommt, ist eine kalte Hand unangenehm und kann den Zustand des Patienten verschlechtern. Deshalb entscheide ich je nach Situation: Manchmal ist eine Messung der Vitalparameter nicht notwendig, und manchmal gelingt sie schlicht nicht optimal.

Sehen Sie einen Vorteil darin, die Körpertemperatur im Gehörgang kontinuierlich überwachen zu können?

Ganz klar: Ja. In der Bergrettung ist die Temperaturmessung sogar noch entscheidender als in weniger exponierten Umgebungen. Wenn ein Patient in einem warmen Rettungswagen oder innerhalb von 20 Minuten in einer Klinik sein kann, spielt die Körpertemperatur eine untergeordnete Rolle. Im alpinen Umfeld hingegen ist sie oft ein zentrales Problem. Der Erhalt der Körpertemperatur gehört zu den wichtigsten Erste-Hilfe-Maßnahmen in der Bergrettung und ist ein essenzieller Teil der Ausbildung. Schon mit wenig Training kann man hier viel bewirken. Allerdings stößt die Überwachung der Körperkerntemperatur bislang an ihre Grenzen. Es gibt kaum geeignete Instrumente zur Messung von Hypothermie. Zwar existieren unzählige Fieberthermometer, doch diese sind weder für diesen Temperaturbereich validiert noch praktisch anwendbar. Der Goldstandard für eine präzise Temperaturmessung ist die Messung im unteren Ösophagusdrittel. Doch das ist in der alpinen Notfallmedizin kaum umsetzbar. Für Nicht-Ärzt:innen ist es schlicht unmöglich, und selbst als Arzt oder Ärztin muss ich im Gebirge noch viel genauer abwägen, ob ich einen Patienten intubiere – vor allem, wenn er noch halbwegs stabil ist. Die komplexe Rettungskette und die schwierige Logistik zwingen uns dazu, eine Intubation so lange wie möglich hinauszuzögern.

Ein Sonderfall in der alpinen Notfallmedizin ist der Lawinenunfall. Hier kann eine präzise Temperaturmessung entscheidend für die Therapieplanung sein – bis hin zu möglichen Therapieabbrüchen. Eine zuverlässige Messung der Körperkerntemperatur über den Gehörgang ist daher ein echter Mehrwert für uns. Mit dem c-med° alpha ist das sehr gut möglich und wird bei uns mittlerweile standardmäßig verwendet.

Die Körpertemperaturerhaltung Ihrer Patient:innen ist demnach oft sehr wichtig. Gilt das auch für Hyperthermie-Patient:innen?

Unter Umständen ist die exakte Messung der Körpertemperatur bei Hyperthermie sogar noch wichtiger als bei Hypothermie. Meiner Erfahrung nach gibt es immer wieder Hyperthermie-Patient:innen mit schweren neurologischen Ausfällen aufgrund von Überhitzung. In solchen Fällen ist ein effektives Kühlungsmanagement essentiell – und die Möglichkeit, den Temperaturverlauf zu überwachen, äußerst praktisch. Ein Beispiel: Eine Patientin mit 40 Grad Körpertemperatur, schweren neurologischen Einschränkungen und hämodynamischer Instabilität. Sie gezielt und kontrolliert zu kühlen und dann zu sehen, dass sie bei 39 Grad wieder mehr zu sich kommt, ist von enormer therapeutischer Bedeutung. Solche Tools können einen entscheidenden Unterschied machen. Denn solange keine Temperaturmessung möglich ist, tappt man oft im Dunkeln, was die Ursache einer neurologischen Veränderung betrifft.

Wie hoch schätzen Sie für Ihre Arbeit generell die Bedeutung von neuen Technologien, wie den c-med° alpha, ein?

Der c-med° alpha ist in der Bergrettung ein echter Game Changer – aus vielen Gründen: Er ist leicht, kabellos, deckt einen großen Temperaturbereich ab und hat eine lange Akkulaufzeit. All das sind enorme Vorteile im alpinen Einsatz.

Es gibt mittlerweile eine wachsende Erwartungshaltung, auch seitens der Öffentlichkeit: Es wird erwartet, dass die Notfallmedizin, die man aus dem urbanen Umfeld kennt, auch am Berg verfügbar ist. Auf jeder Skipiste soll möglichst dieselbe medizinische Versorgung möglich sein wie auf der Straße. Noch vor wenigen Jahren war das kaum realisierbar – doch inzwischen hat sich das geändert. Viele Technologien sind heute kleiner, tragbarer und robuster. Beispiele sind mobile Ultraschallgeräte oder Videolaryngoskopie in der Flugrettung, in der ich auch tätig bin. Solche Technologien erhalten zunehmend Einzug, auch in der Bergrettung. Bei all diesen Innovationen gibt es jedoch eine zentrale Voraussetzung: Sie müssen absolut zuverlässig sein.

Seit wann setzen Sie den c-med° alpha in der Bergrettung ein?

Regulär nutzen wir den c-med° alpha seit dieser Wintersaison. Eingeführt wurde er bereits im letzten Frühjahr in der oberösterreichischen, niederösterreichischen und Kärntner Bergrettung. Aktuell haben wir 15 Doppel-Sets an Sensoren in unserem Bundesland im Einsatz. Der Anwenderkreis wächst kontinuierlich, und wir haben jetzt das erste volle Jahr mit dem Gerät in der Praxis.

Bei neuen Medizinprodukten gibt es anfangs oft eine gewisse Hemmschwelle in den Teams. Es braucht Überzeugungsarbeit und Schulungen, um die Akzeptanz zu steigern. Die Einführung des c-med° alpha verlief allerdings überraschend reibungslos. Bei anderen neuen Technologien gab und gibt es immer wieder Hemmungen bei den Bergretter:innen – trotz intensiver Schulungen. Beim c-med° alpha war das anders – die Akzeptanz war von Anfang an deutlich höher.

In welchen Phasen eines Rettungseinsatzes sehen Sie den größten Nutzen unseres mobilen Patientenmonitors?

Für den Bergrettungseinsatz sind es vor allem der lange terrestrische Abtransport und akute Notfälle vor Ort. Ein Patient mit schweren Verletzungen oder einer unerwarteten Erkrankung muss möglicherweise lange transportiert werden und dabei überwacht werden, zum Beispiel bei der Schmerztherapie oder der Temperaturüberwachung, um zu sehen, ob der Patient während des Abtransports auskühlt. Bei akuten Notfällen, wie Reanimationssituationen oder schweren Verletzungen nach einem Absturz, ist ein Monitor ebenfalls unerlässlich. Beim c-med° alpha fehlt allerdings noch die hämodynamische Monitoringfunktion bzw. Blutdrucküberwachung, da sie für solche Situationen entscheidend ist.

Wie erfolgt die Dokumentation bei einem Rettungseinsatz?

Wir haben ein eigenes Formular für die Dokumentation, das österreichweit verwendet wird und in Zukunft in eine Bergrettungs-App integriert wird. In der cosinuss° App wäre es hilfreich, Zeitmarken setzen zu können, um aus dem Protokoll die entsprechenden Tätigkeiten herauszulesen. Mehr brauche ich nicht.

Gab es spezielle Rettungseinsätze, bei denen der c-med° alpha besonders hilfreich war?

Ja, mehrere. Sogar bei der Feststellung des Todes, wenn man nichts Anderes dabeihatte und das Fehlen von Vitalparametern dokumentieren musste. Hauptsächlich wird der c-med° alpha aber bei Standardeinsätzen zur Schmerztherapie eingesetzt, um Trends zu überwachen, wie beispielsweise steigende Herzfrequenz oder sinkende Sauerstoffsättigung, was auf ein beginnendes Problem hinweisen könnte. Sehr wertvoll ist auch die Möglichkeit, den Patienten oder die Patientin aus räumlicher Distanz zu überwachen, wie beispielsweise bei einem Akja-Transport. Hierbei kann man die Vitalparameter des Patienten oder der Patientin aus einer Entfernung von zehn Metern im Blick behalten oder den Monitor in der Hosentasche tragen, und es piepst wie im OP. So kann man einfach auf das Geräusch achten, ohne ständig den am Patienten montierten Monitor beobachten zu müssen. Das hat eine gewisse Eleganz.

Welche Aspekte der Technologie haben Ihnen bisher den größten Nutzen gebracht und wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?

Ein Aspekt, der für mich sehr entscheidend wäre, ist das Überwachen mehrerer Patient:innen gleichzeitg in der App, vor allem bei größeren Schadensereignissen. Außerdem wäre eine telemedizinische Überwachung hilfreich, um Patient:innen aus der Ferne zu monitieren, wenn ich nicht vor Ort bin. Eine zusätzliche nützliche Funktion wäre die Ortung mehrerer überwachter Personen, zum Beispiel bei Unfällen im Pistendienst.

Wie könnte cosinuss° dazu beitragen, die Arbeit der Bergretter:innen sicherer und effektiver zu machen?

Ich halte die Technologie bereits für Laien sehr tauglich. Bei uns nutzen auch Bergretter:innen ohne medizinischen Hintergrund den c-med° alpha. Insgesamt bin ich wirklich sehr zufrieden und freue mich auf die zukünftigen Entwicklungen und Erweiterungen des Systems.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Huber!

Author

  • Melanie Schade

    M.A. Kommunikationswissenschaft und Online-Marketing-Expertin mit Schwerpunkt auf Gesundheits- und Wissenschaftskommunikation. // M.A. Communication Studies and online marketing expert with a focus on health and science communication.

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