MoReTech: Mountain Rescue Technology Study
In der alpinen Notfallmedizin wird häufig unter extremen klimatischen Bedingungen gearbeitet. Sehr niedrige Temperaturen und starke Windverhältnisse stellen die Einsatzkräfte der Bergrettung vor besondere Herausforderungen – insbesondere, wenn es darum geht (über-)lebenswichtige Vitalparameter verunfallter Personen zu erfassen und möglichst effizient medizinische Maßnahmen einzuleiten. Neben den äußeren Einflussfaktoren sorgen auch körperliche Reaktionen (bspw. Unterkühlung, Kreislaufstillstand) dafür, dass Messungen von Körpertemperatur und weiterer Vitalzeichen oftmals unzuverlässig sind und viel Zeit kosten. In einer technischen Machbarkeitsstudie der Ludwig-Maximilians-Universität München zusammen mit der Bergwacht Bayern und dem Zentrum für Sicherheit und Ausbildung (Stiftung Bergwacht) wird daher überprüft, ob der Einsatz unserer cosinuss° Im-Ohr Sensortechnologie für das Monitoring von Körpertemperatur, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung des Blutes alpin verunfallter Personen auch unter extremen Klimabedingungen zuverlässig möglich ist.
Ziel: Sensorgestützte Notfallmedizin
Das übergeordnete Ziel stellt die Entwicklung einer einfachen, nicht-invasiven Im-Ohr Sensortechnologie für die alpine Notfallmedizin dar. Langfristig soll diese Lösung auch im Alpinsport und Bergsteigen etabliert werden.
Zukünftig könnten mithilfe der im Ohr tragbaren Sensoren nicht-invasiv, schnell und zuverlässig die Vitalzeichen von verunfallten Personen vor Ort erfasst und mittels mobiler Datenübertragung an das zuständige Krankenhaus übertragen werden. Diese medizinische Fernüberwachung kann ermöglichen, dass medizinisch notwendigen Maßnahmen datengestützt und wesentlich effizienter im Vergleich zu Standardtechniken eingeleitet werden.
Aufbau und Ablauf der Studie
Um unsere cosinuss° Sensortechnologie im alpinen Bereich einsetzen zu können, muss vorab zum einen geklärt werden, ob ein im Ohr tragbarer Sensor tatsächlich geeignet ist Vitalparameter und Körpertemperatur in alpiner Umgebung sicher und valide zu erfassen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob Bewegungsdaten und Vitalparameter geeignet sind, um leistungsphysiologische Aspekte des Bergsteigens genau und medizinisch sinnvoll zu charakterisieren.
Die Beantwortung der ersten Fragestellung wurde im Herbst 2021 mit vielversprechenden Ergebnissen abgeschlossen. Hierfür wurde ein Prototyp des Im-Ohr Sensors c-med° alpha im Bergwetterraum des Bergwacht-Zentrums für Sicherheit und Ausbildung (BW-ZSA) bei -20°C bis +20°C und unter verschiedenen Windverhältnissen (+/- 30km/h) bezüglich technischer Validität und Eignung in extremen Klimaverhältnissen an über 130 freiwilligen Personen getestet. Es konnte gezeigt werden, dass der Im-Ohr Sensor auch unter ungünstigen und wechselnden Umweltbedingungen stabil misst. Vor allem die gemessenen Temperaturwerte scheinen den Standardmethoden überlegen zu sein, da der Sensor im Ohr eine Art “Mikroklima” erzeugt und somit weniger anfällig gegenüber äußerer klimatischer Einflüsse ist. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse wurde das Projekt mit dem Wissenschaftlerpreis der Bergrettungstagung 2021 ausgezeichnet.
Um die zweite Fragestellung beantworten zu können, laufen Analysen zu verschiedenen Bewegungsmustern und den Vitalparametern während simulierter Bergrettungsszenarien von terrestrischen bis hin zu Flugrettungseinsätzen. Über 50 Szenarien wurden bereits aufgezeichnet und werden aktuell von Wissenschaftler*innen ausgewertet. Für die Analyse der aufgezeichneten Daten kommen Mustererkennungsalgorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Erste Ergebnisse zeigen, dass Bewegungen wie Erschütterungen der Hubschrauberkabine während Luftrettungseinsätzen die Qualität der Sensortechnik nicht wesentlich beeinflusst.
Unsere cosinuss° Sensortechnologie wurde während terrestrischer Rettungsübungen getestet.
Auch in simulierten und echten Luftrettungseinsätzen wurden unsere Im-Ohr Sensoren getestet (hier im Simulationszentrum München).
Außerdem wurden die Im-Ohr Sensoren während einer viertägigen Übung mit Pistenrettung am Hintertuxer Gletscher eingesetzt (Bereitschaft München, Bergrettung Tirol).
Zielgruppen
Die angestrebte Lösung könnte zukünftig nicht nur für Notärzt*innen, Rettungspersonal, Mitarbeitende der Bergrettung sowie Bergführer*innen hilfreich sein, sondern auch für Alpinsportler*innen, (Höhen-)Bergsteiger*innen, Skibergsteiger*innen sowie alpine Verbände und Vereine.
Unterstützung des Forschungsprojekts
Das Forschungsprojekt wird von der Ludwig-Maximilians-Universität München unter der Leitung von PD Dr. Roman Schniepp durchgeführt. Unterstützung findet durch die Bergwacht Bayern sowie das Zentrum für Sicherheit und Ausbildung (Stiftung Bergwacht) statt. Die Studie wird zu wissenschaftlichen und biomedizinischen Zwecken durchgeführt.
Unter folgendem Link finden sich weitere Informationen zur Finanzierung des Projekts:
https://www.startnext.com/sensortechnologie-und-bergrettung
Ausblick: Verbesserung der alpinen Notfallmedizin
Durch das Forschungsprojekt versprechen sich die Initiatoren einen deutlichen Erkenntnisgewinn, der sich auf einer Verbesserung der alpinen (Notfall-)Medizin auswirken wird. Auf Basis der gewonnenen Daten und Erkenntnisse kann eine sensorbasierte Technologieplattform geschaffen werden, die moderne Leistungsdiagnostik und Telemedizin miteinander vereint.
Quellen:
MoReTech: Mountain Rescure Technology Study. Schniepp, R., Benkert, A. (2021) In: Bergwacht im Fokus
Veröffentlicht: 20. Mai 2021 | Aktualisiert: 31. Januar 2022