Masterarbeit von Thomas Höller, Elektroingenieur
Für die Behandlung vieler Krankheiten, wie COPD, Schlafapnoe, Diabetes, Adipositas oder Covid-19, ist die Beurteilung der Atemfunktion essentiell. Hierbei stellt die Sauerstoffsättigung der Patienten eine der wichtigsten Messgrößen dar. Aus diesem Grund gehören Messungen mit einem Pulsoxymeter im stationären Umfeld heute zur Routine. Im ambulanten Bereich, also im Alltag der Patienten, wird die Messung der Sauerstoffsättigung jedoch nur relativ selten durchgeführt. Ein Hauptgrund dafür stellen die aktuell verfügbaren Geräte dar, die den Träger in seiner Bewegungsfreiheit einschränken und empfindlich gegenüber Störeinflüssen aus dem Alltag, wie Extremitätenbewegungen, lokale Hypothermie oder ungünstigen Lichtverhältnissen, reagieren. Eine Alternative mit großem Potenzial stellt dagegen die Messung der Sauerstoffsättigung im Gehörgang dar. Dort verlieren die genannten Störeinflüsse massiv an Bedeutung. In meiner Masterarbeit habe ich mich daher mit der Fragestellung beschäftigt, ob eine zuverlässige und kontinuierliche Messung der Sauerstoffsättigung mit einem In-Ear System auf Basis des cosinuss° One möglich ist.
Welche Vorteile hat die mobile Messung der Sauerstoffsättigung?
Die Erweiterung einer zuverlässigen Messung der Sauerstoffsättigung auf den ambulanten Bereich bringt entscheidende Vorteile:
- Wertvolle Informationen für das Fachpersonal zur individuellen Anpassung von Medikation und Behandlung.
- Entlastung der Kliniken und des medizinischen Personals, da Risikopatienten zuhause überwacht werden können.
- Verringerung des Infektionsrisikos – ein stationärer Aufenthalt an sich stellt bereits ein Infektionsrisiko dar.
- Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Behandlung durch Verringerung der Reaktionszeit bei sich rasch verschlechterndem Gesundheitszustand.
- Echtzeit-Feedback für den Träger, um ein sicheres ambulantes Umfeld zu schaffen.
- Schnelle Verfügbarkeit der Daten und damit effiziente Zusammenarbeit von Experten.
Wie wird die Sauerstoffsättigung im Ohr gemessen?
Das zugrundeliegende Verfahren zur Messung der Sauerstoffsättigung wird als Photoplethysmographie bezeichnet. Dabei wird ein Teil des Gewebes am Messort von Licht mit definierter Wellenlänge durchstrahlt und anschließend durch einen Photodetektor gemessen. Die Eigenschaften des Gewebes zu diesem Zeitpunkt bestimmen die Absorption. Pumpt das Herz beispielsweise Blut in die Peripherie (Systole), steigt die Blutmenge in den Blutgefäßen am Messort. Dadurch wird das Licht stärker absorbiert. Fließt das Blut wieder zurück zum Herzen (Diastole), sinkt die Blutmenge entsprechend und die Lichtabsorption am Messort nimmt ab. Diesen Wechsel kann man im gemessenen Signal beobachten und daraus Parameter wie die Herzfrequenz oder RR-Intervalle berechnen.
Zur Bestimmung der Sauerstoffsättigung wird die Pulsoxymetrie eingesetzt. Diese kombiniert Photoplethysmogramme an verschiedenen Wellenlängen, um herauszufinden, welcher Anteil der roten Blutkörperchen Sauerstoff transportiert. Dabei werden die unterschiedlichen Absorptionseigenschaften von mit Sauerstoff gesättigtem Hämoglobin (Oxyhämoglobin) und ungesättigten Hämoglobin (Desoxyhämoglobin) ausgenutzt. Im einfachsten Fall werden Photoplethysmogramme im roten und infraroten Spektralbereich gemessen (siehe Abbildung 1).
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Abbildung 1: Zeitlich synchrone Ausschnitte aus einem Infrarotsignal (oben) und Rotsignal (unten): Auf Basis dieser Signale wird die Sauerstoffsättigung berechnet.
Handelsübliche Pulsoxymeter messen überwiegend durch eine Transmissionsmessung am Finger. Dabei wird das transmittierte Licht als Basis für die Algorithmen verwendet. Im Ohr dagegen liefert das remittierte Licht die Grundlage. Von einer Remission spricht man, wenn neben Reflexion zusätzlich mehrfach diffuse Streuung zu der gemessenen Gesamtintensität beiträgt.
Methode: Wie wird das Messsystem validiert?
Zur Validierung des cosinuss° In-Ear Systems werden parallel zu dessen Messung Daten mit einem Referenz-Pulsoxymeter aufgezeichnet. Durch einen Höhengenerator wird die Sauerstoffsättigung der Probanden schrittweise abgesenkt, um auch bei sehr niedrigen Sättigungswerten eine Aussage über die Messgenauigkeit treffen zu können. Durch eine statistische Betrachtung der Differenzen zwischen In-Ear System und Referenzsystem bei einer ausreichend großen Anzahl an Probanden kann die Messgenauigkeit quantifiziert werden. Der Validierungsaufbau ist in Abbildung 2 dargestellt.
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Abbildung 2: Validierungsaufbau: 1) In-Ear Sensor, 2) Höhengenerator, 3) Atemmaske, 4) System zur Live-Anzeige von Sauerstoffsättigung und Perfusion sowie zur Datensicherung, 5) Bluetooth Empfangsgerät für die Daten des In-Ear Sensors, 6) Referenzpulsoxymeter.
Ergebnisse: Zuverlässige Messungen mit dem cosinuss° In-Ear-System
Die Validierungsmessungen liefern eine Standardabweichung der Differenzen von 1.855% bei einem Mittelwert von 0.095% (siehe Abbildung 3).
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Abbildung 3: Histogramm über die Differenzen zwischen In-Ear System und Referenzpulsoxymeter: Das In-Ear System ist in der Lage, zuverlässige Messungen der Sauerstoffsättigung durchzuführen und kann dabei mit der angegebenen Genauigkeit von im klinischen Bereich eingesetzten Pulsoxymetern (+-2%) mithalten.
Für eine exakte Messung im Alltag ist allerdings zu beachten, dass der Sensor stabil im Ohr positioniert ist und eine zuverlässige Unterscheidung zwischen Artefakten und validen Daten stattfindet. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann das mobile cosinuss° In-Ear-System einen wertvollen Beitrag in der ambulanten und kontinuierlichen Sauerstoffsättigung leisten.
Quelle:
Sämtliche Ergebnisse und Abbildungen stammen aus:
Höller, Thomas: Mobiles In-Ear System zur kontinuierlichen Messung und Übertragung der Sauerstoffsättigung. Heinz Nixdorf-Lehrstuhl für Biomedizinische Elektronik, 2020